Intern
Prof. Dr. Christof Kerwer

Seminar im WS 06/07

Das deutsche Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht -
Fit für die Herausforderungen einer globalisierten Weltwirtschaft?


Grundlagen- bzw. Studienarbeitsseminar zum kollektiven Arbeitsrecht
12. bis 14. Januar 2007 auf Burg Rothenfels

 

Nach den guten Erfahrungen im letzten Jahr fand auch das diesjährige Seminar des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht vom 12. bis 14. Januar 2007 nicht in den ehrwürdigen Mauern der Alten Universität, sondern auf der idyllisch über dem Main gelegenen Burg Rothenfels statt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Christof Kerwer und seinen Mitarbeitern Barbara Schäffer, Eckrolf Berg und Ivo Holzinger versammelten sich dort 13 Studierende, um sich vertieft mit Fragen des kollektiven Arbeitsrechts auseinanderzusetzen.

So befasste sich der erste Referent, Uwe Fels, mit dem Thema "Tarifbonus für Gewerkschaftsmitglieder? - Differenzierungsklauseln in Tarifverträgen" und übte dabei deutliche Kritik an dem generell ablehnenden Grundsatzbeschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 29. November 1967. Nachdem Differenzierungsklauseln nach dieser klaren Entscheidung des BAG nicht mehr verwendet worden seien, seien sie inzwischen in einigen Tarifverträgen wieder zu finden. Daher müsse sich bald zeigen, ob das BAG an seiner restriktiven Linie nach wie vor festhalte. Mit der "Durchsetzungskraft als Voraussetzung der Tariffähigkeit von Gewerkschaften" befasste sich Franz Wiehl und stellte dabei die vom BAG den neuen, kleineren Gewerkschaften auferlegten Hürden vor. Im Anschluss daran erläuterte Rafael Janczuk den Günstigkeitsvergleich nach § 4 Abs. 3 TVG und die von der herrschenden Lehre und dem BAG vertretene Lehre vom Sachgruppenvergleich (kein Vergleich von "Äpfeln mit Birnen"). Schließlich widmete sich Christoph von Klitzing dem Thema "Betriebliche Bündnisse für Arbeit" und stellte dabei die Gestaltungsmöglichkeiten auf der Grundlage des geltenden Rechts vor und gab einen Einblick in die sich im Gange befindliche Reformdiskussion.

So boten gleich die ersten Vorträge zum Arbeitskampf- und Tarifvertragsrecht reichlich Zündstoff für kontroverse Diskussionen, insbesondere als das Thema "Betriebliche Bündnisse für Arbeit" zur Sprache kam. Bei kühlem Bier und fränkischem Wein konnten die teilweise heißen Diskussionen abends im Burgkeller bei angenehmer Atmosphäre jedoch wieder abgekühlt werden.

Der zweite Seminartag war den eher dogmatischen und weniger zündstoffreichen Grundlagen des kollektiven Arbeitsrechts gewidmet. Christian Lieb stellte die verschiedenen in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansätze zur "Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien" vor, während sich Britta Gnauck mit der "Fortgeltung und Ablösung von Tarifverträgen beim Betriebsübergang" auseinandersetzte und ebenso wie Kerstin Knote, die die "Neuen Entwicklungen zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge" erläuterte, auf die neue Rechtsprechung des BAG zur sog. "Gleichstellungsabrede" zu sprechen kam, die in der Runde der Teilnehmer eine rege Diskussion, insbesondere auch über die praktischen Auswirkungen einer solchen Rechtsprechungsänderung auslöste.

Nach einem zwar reichhaltigen, aber weniger kulinarischen Mittagessen im Speisesaal der Burg erklärte Aytac Akgül-Schreiber die Begrifflichkeiten der "Tarifkonkurrenz, Tarifpluralität und den Grundsatz der Tarifeinheit". Anschließend stellte Stephan Strohal Literatur und Rechtsprechung zur "Erzwingbarkeit von Firmentarifverträgen gegenüber verbandsangehörigen Arbeitgebern" vor. Schließlich gab Alexander Dubon einen Einblick in die aktuelle Tarifpolitik zum Thema der "Zulässigkeit und Erzwingbarkeit von Sozialplantarifverträgen". Solche Sozial(plan)tarifverträge erfreuten sich in heutiger Zeit erhöhter Beliebtheit, da mit diesen die unternehmerische Entscheidung - z.B. zur Jobverlagerung bei "guten" Konzernergebnissen - rückgängig gemacht oder zumindest modifiziert werden solle, indem die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung möglichst teuer gemacht werde.

Zum Abschluss dieses Seminartages zogen alle Teilnehmer ein gemeinsames Abendessen im nahegelegenen Burggasthof der Abendverpflegung auf der Burg vor, so dass dort der Abend in geselliger Runde seinen Ausklang fand.

Am nächsten Morgen beleuchtete zunächst Tanja Goldgruber "Die Rechtsstellung des Außenseiter-Arbeitgebers im Verbandsarbeitskampf". Im Anschluss daran erläuterte Johannes Treutlein "Die Stilllegungsbefugnis des Arbeitgebers im Arbeitskampf". Diese umfassende Abwehrmaßnahme des Arbeitgebers im Arbeitskampf werde zwar vom BAG als zulässig angesehen. Diese Rechtssprechung sei jedoch im Einklang mit weiten Teilen in der Literatur mangels Legitimation durch Art. 9 Abs. 3 GG und auf Grund eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Arbeitskampf abzulehnen.

Zuletzt erläuterte Andreas Borst den in § 5 Betriebsverfassungsgesetz legal definierten, sich aber nichtsdestotrotz ständig wandelnden Arbeitnehmerbegriff im Betriebsverfassungsrecht. Dieser sei deshalb von überragender Bedeutung, weil er festlegt, für wen letztlich die betriebsverfassungsrechtlichen Mitspracherechte gelten. Gerade in den letzten Jahren habe die Behandlung von Leiharbeitnehmern in diesem Zusammenhang große Probleme aufgeworfen.

Das Wochenende auf Burg Rothenfels war alles in allem wiederum ein voller Erfolg. Neben einem vertieften Einblick in die komplexe Thematik des deutschen Arbeitskampf- und Tarifvertragsrechts gab das Seminar auch die Gelegenheit, neue Bekanntschaften zu schließen und in geselliger Runde die angesprochenen Fragen auszudiskutieren.

Ivo Holzinger