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Würzburg Centre for Social Implications of Artificial Intelligence (SOCAI)

Projekt: Hardwareentwicklung und digitale Transformation

Hardwareentwicklung und Regulierung der Digitalen Transformation: Regionale, Nationale und Globale Positionierungsstrategien

Zusammenfassung:

 

Die gegenwärtigen Fortschritte in der Entwicklung künstlicher Intelligenz beruhen vorrangig auf der rechenintensiven Verarbeitung großer Datenmengen. Gleichzeitig erreicht die über Jahrzehnte stabile Wachstumsrate der Rechenleistung durch höher integrierte Schaltkreise eine physikalisch bedingte Obergrenze. Die zukünftige Entfaltung der digitalen Transformation wird somit maßgeblich nicht nur von technologischer Innovation im Bereich der Software, sondern auch der Hardware abhängen. In diesem Kurzantrag greifen wir die Fragestellung auf, welche gesellschaftlichen Auswirkungen sich aus der Interdependenz der digitalen Transformation und Innovation im Hardwarebereich ergeben. Dabei sind insbesondere die Eigenschaften der verwendeten Materialplattformen im Hinblick auf Kosten und Verfügbarkeit zu beachten. Diese bestimmen den möglichen Nutzerkreis künstlicher Intelligenz sowie deren transnationale Verfügbarkeit und sind damit für eine vorausschauende Förderung und Regulierung der digitalen Transformation maßgeblich. Unser Projekt hat das Ziel, frühzeitig mögliche gesellschaftliche Asymmetrien, die aus bestimmten technologischen Entwicklungen der digitalen Transformation resultieren könnten, zu erkennen, Steuerungsansätze zu entwickeln, und damit zu einer Demokratisierung des Zugangs zu technologischer Innovation beizutragen

Durch die digitale Transformation steht ein fundamentaler sozio-ökonomischer Umbruch bevor. Fragen der Digitalisierung sind daher zuletzt auch aus gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive zum Forschungsgegenstand geworden. Insbesondere interdisziplinäre Forschung, die Erkenntnisse aus Technik und Wissenschaft verknüpft, scheint erfolgsversprechend, um die fundamentalen Veränderungen verstehen und steuern zu können. Hier ist der Ansatz derzeit vorherrschend, die technischen Innovationen um den Themenkreis künstliche Intelligenz und Digitalisierung aus der abstrakt prozessualen Perspektive, d.h. Software zu betrachten. Ein gemeinhin unterbewerteter dazu komplementärer Schauplatz digitaler Transformation ist die Hardware Entwicklung im Rahmen neuer Computertechnologien wie Spintronik, Optronik sowie verschiedenen Erscheinungsformen des Quantencomputers. Die Wechselbeziehung der Materialentwicklung und ingenieurswissenschaftlichen Umsetzung des digitalen Wandels mit sozialer Integration und politisch-strategischer Steuerung ist ein notwendiger Fokus interdisziplinärer Forschung, der im Lichte des aktuellen Forschungsstands unzureichend untersucht worden ist. 

 

Die Hervorhebung von Algorithmen zum tieferen Verständnis der digitalen Transformation erscheint zunächst insoweit naheliegend, als dass intelligente Software technisch gesehen meist plattformunabhängig ist. Diese prinzipielle Unabhängigkeit künstlicher Intelligenz von einem bestimmten technischen Substrat bedeutet jedoch nicht, dass Algorithmen losgelöst von ihrer zugrundeliegenden physikalischen Plattform hinreichend analysiert werden können. Das zeigt bereits der Gesichtspunkt, dass digitale Rechenoperationen mindestens das temporäre Speichern von Information in einem stabilen physikalischen Zustand benötigen, was wiederum auf unterschiedliche Weise technisch realisiert werden kann. Auch delokalisierte Internetanwendungen wie Suchmaschinen und Datenbibliotheken sind nur aus der naiven Perspektive des Nutzers scheinbar immateriell verfügbar. Tatsächlich liegen diesen Applikationen große rechen- und kostenintensive Serverfarmen zugrunde, die einen beträchtlichen Anteil der weltweiten Elektrizitätsgewinnung beanspruchen.

Die gegenwärtigen Fortschritte des maschinellen Lernens und der Entwicklung künstlicher Intelligenz beruhen auf dem Einsatz hoher Rechenleistung mit riesigen Datenmengen. Oft ist es nicht die Komplexität des einzelnen Algorithmus, die den entscheidenden Fortschritt in der gegenwärtigen Datenverarbeitung darstellt, sondern allein dessen Skalierung zu größeren Datenmengen und vervielfachten Rechenoperationen. Künstliche neuronale Netze (KNN) neuester Generation vereinen hunderte Schichten mit einer entsprechend hohen Anzahl an Knoten. Allein schon die hierbei benötigten Datenmengen zum Trainieren dieser Netze sind gewaltig. Bereits ein einziges autonomes Fahrzeug generiert und verarbeitet pro Tag etwa 4.000 GB Daten.

Mit diesem Projekt möchten wir das Problem angehen, die Abhängigkeit der nächsten Evolutionsschritte digitaler Transformation von der begleitend verlaufenden Hardware Innovation und der Entwicklung neuer Computertechnologien zu analysieren. Unser Ansatz ist zentriert um die Prämisse, dass grundlegende Herausforderungen des gesellschaftlichen Nutzens der künstlichen Intelligenz von der tatsächlichen Hardware Realisierung abhängen. Das vorliegende interdisziplinäre Forschungsprogramm beschäftigt sich daher mit den wechselseitigen Effekten von Gesellschaft und Technologie, die aus der Hardwareabhängigkeit digitaler Transformation resultieren.

Problemstellung: Technologische und sozio-ökonomische Randbedingungen der Implementierung künstlicher Intelligenz und digitaler Transformation

Die rechenintensive Basis vieler angedachter Anwendungen künstlicher Intelligenz und Big Data legt nahe, dass eine primäre Herausforderung digitaler Transformation darin bestehen wird, den Beschränkungen aktueller Computertechnologien zu begegnen. Dies manifestiert sich auf verschiedenen Ebenen.

(i) Rechenleistung. Der physikalische Verdichtungslimes elektrischer Schaltkreise ist bereits in den heutigen Prozessoren erreicht. Zuvor galt das Mooresche Gesetz, dass durch den verbesserten Hochintegrationsgrad von Transistoren eine stetige Vervielfachung der Computerleistung erreicht werden könne. Angesichts der saturierenden Rechenleistungen in konventionellen Computerstrukturen ist augenfällig, dass dem enormen Rechen- und Speicheraufwand künstlicher Intelligenz mit einer Weiterentwicklung der Computerplattform begegnet werden muss, in der sie realisiert werden soll. Hierbei spielen aktuelle Forschungsfelder wie die Spintronik, Optronik sowie der Quantencomputer eine tragende Rolle. Abhängig davon, welche Richtung dieser Grundlagenforschung den ersten technologisch relevanten Durchbruch erzielt, wird die Verfügbarkeit und Funktionsweise der spezifischen Plattform maßgeblich die sozialen Implikationen dieses technologischen Fortschritts beeinflussen. Schon jetzt kann die Voraussage getroffen werden, dass eine umfängliche digitale Transformation wahrscheinlich nicht mit der aktuellen Computertechnologie umgesetzt werden kann. Vielmehr bedarf es Grundlagenforschung und Fortschritt auf der Hardwareebene, um die erforderliche Rechenleistung unter geeigneten Rahmenbedingungen zu erbringen.

 (ii) Rechen- und Speicherkosten. Unabhängig von der enormen Rechenleistung, die wie in (i) aufgeführt für Applikationen künstlicher Intelligenz benötigt wird, führt die digitale Transformation zu enormen Kosten des Rechenbetriebs und Speicheraufwands. Der  prognostizierte zeitnahe Strombedarfsanteil zentral bereit gestellter Internetanwendungen beläuft sich bereits auf über 20% aller weltweit produzierten Elektrizität. Um eine vollständige Entfaltung der digitalen Transformation zu gewährleisten, kommt der Hardware und deren kosteneffizienten wie auch speichereffizienten Implementierung künstlicher Intelligenz wiederum eine entscheidende Bedeutung zu. Zusätzlich zu den Rechenkosten an sich stellt der massive Datentransfer lokal operierender KI-Anwendungen wie zum Beispiel beim autonomen Fahren ein großes finanzielles wie technologisches Problem dar, das nur durch fundamentale technologische Innovation lösbar ist. Somit erscheint es naheliegend, dass die Materialforschung für moderne Computertechnologien eine zentrale Bedeutung erfährt, um die digitale Transformation durch verbesserte Rechenleistung und reduzierte Operationskosten zugänglich zu machen. Diese Dimension aktueller physikalischer Grundlagenforschung zeigt sich in der Würzburger Fakultät für Physik anhand des Sonderforschungsbereichs DFG-SFB 1170 ToCoTronics (Project-ID 258499086), der sich mit neuen Halbleitertechnologien und Quantencomputern befasst. Er wird ergänzt durch den kürzlich im Rahmen der Exzellenzinitiative der Bundesregierung zuerkannten Cluster ct.qmat der JMU Würzburg und der TU Dresden zum Thema der Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien (DFG-EXC 2147, Project-ID 39085490). Interessanterweise ist hier zu bemerken, dass die Suche nach einer geeigneten Plattform für KI selbst schon KI einsetzt, um die Materialforschung zu unterstützen.

Gesellschaftswissenschaftliche Forschung zur digitalen Transformation beschäftigt sich mit der Frage, wie die aus dem digitalen Wandel erwachsenden sozialen Umwälzungsprozesse zum Wohle der Gesamtgesellschaft zu steuern sind. Im Speziellen gilt es herauszuarbeiten, hinter welchen Aspekten sich innerhalb des Transformationsprozesses die mögliche Entstehung sozialer Asymmetrien verbirgt, die sich als Gefahr für die wirtschaftliche und politische Ordnung auswirken könnte. Im Rahmen dieses Kurzantrages sollen daher auch die Auswirkungen verschiedener Hardware Plattformen auf die klassische sozio-ökonomische Wertschöpfungskette thematisiert werden.

Unterschiedliche Eigenschaften einer neuen Computergeneration, wie zum Beispiel die des Quantencomputers, werden unterschiedliche gesellschaftliche Problemstellungen mit sich bringen, je nach Kosten, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit der neuen Technologie. Kosten beeinflussen wiederum den potentiellen Nutzerkreis und die ökonomische Verwertbarkeit der technischen Neuerung. Die physische Verfügbarkeit der für eine Technologie benötigten Rohstoffe (z.B. Seltene Erden für Hochleistungsbatterien) wird darüber hinaus drastische Wettbewerbsverschiebungen für beteiligte Unternehmen und Nationalstaaten nach sich ziehen. 

Betrachtet man die Wertschöpfungskette zukünftiger digitaler Produkte als Gesamtentität, gibt sie Anlass zur Erwägung einer Reihe gesamtgesellschaftlicher Problemfelder. Teile des Transformationsprozesses bergen existenzielle Risiken für die wirtschaftliche, ökonomische und politische Ordnung in Bayern, Deutschland und der Welt. Diese Risiken hängen mit der im Kern transnationalen Struktur der Digitalisierung zusammen. Da digitale Technologie eine unmittelbar globale Skalierbarkeit ermöglicht und nur bestimmte Koordinationsmechanismen zwischen verschiedenen Akteuren verlangt, begünstigen sie Mono- und Oligopolstrukturen. Wie sich an der Größe der Internetkonzerne erkennen lässt, impliziert die digital-ökonomische Gemengelage oft ein winner-takes-all Szenario. Nimmt man die Zugangsmöglichkeiten zu cloud computing als Beispiel, so ist der Zugang zu rechenintensiven Anwendungen bereits jetzt in der Hand einiger weniger Akteure, die kaum nationalstaatlicher Regelsetzung unterworfen werden können. So überschreitet und schwächt die Digitalisierung damit nationale Grenzen und erschwert die gesellschaftliche Regulierung. Ausgewählte private Akteure befinden sich hingegen in besonders einflussreichen Positionen, ohne dass es eine öffentliche Zugriffsmöglichkeit gibt, die etwa dafür sorgt, dass grundrechtliche Garantien eingehalten werden. Insbesondere im gegenwärtig vorherrschenden globalen Klima des Unilateralismus riskieren demokratische Gemeinschaften, eine initiative Begleitung des digitalen Wandels zu verpassen und anderen Akteuren das Feld zu überlassen.

Lösungsansätze: Regionale, Nationale und Globale Positionierungsstrategien

Der Fokus auf die Hardwareabhängigkeit einer tiefgreifenden digitalen Transformation erlaubt die Entwicklung einer angepassten politischen Digitalisierungsstrategie. Ein zentrales Ziel muss dabei lauten, die digitale Transformation zu einem demokratisch-inklusiven Prozess zu formen, der den hohen Legitimationsanforderungen nationalstaatlich geprägter Ordnungen entspricht. Vorbedingung dafür ist sowohl die Unterwerfung des digitalen Raums unter öffentliche Regelsetzung sowie die Demokratisierung der Zugangsmöglichkeiten zu Spitzentechnologie.

Das Projekt wird Strategien beleuchten, die sowohl der öffentlichen Hand als auch kleinen und mittelständischen Unternehmen zur Verfügung stehen, um in einer transnationalen Umgebung bestehen zu können und Veränderungen anzustoßen. Dabei spielt eine zentrale Rolle, wie die Demokratisierung der digitalen Transformation gelingen kann. Bereits in vergangenen Transformationsprozessen lässt sich beobachten, dass der zentrale Faktor für die gesellschaftliche Tiefe (Reichweite, public ownership) des technischen Fortschritts eine öffentliche Verfügbarkeit zu geringen Kosten ist. Anhand der weltweiten Konnektivität des Smartphones lässt sich demonstrieren, dass die Möglichkeit, preisgünstige und schnelle Rechengeschwindigkeiten und Internetverbindungen für alle Marktteilnehmer bereitzustellen, Vorbedingung für die digitale Transformation als gesellschaftsgestaltender und -verändernder Prozess ist.

Ob es also gelingt, die digitale Transformation zu einem solchen demokratischen und umfassenden Prozess zu entwickeln, wird unter anderem von der Struktur der zugrundeliegenden Basistechnologie im Hinblick auf Rechengeschwindigkeit und Netzwerkfähigkeit abhängen. Die Demokratisierung verlangt einen breiten Zugang zu Rechenkapazität und Algorithmen als ein Element öffentlicher Infrastruktur. Diese Pluralisierung kann nur Erfolg haben, wenn es gelingt, den physischen Zugang zu Hardware inländisch und öffentlich, d.h. ohne kommerzielle Vermittlung zu ermöglichen. Um die der Digitalisierung inhärente Zentralisierungsbewegung (Mono-/Oligopolbildung) zu vermeiden, und das pluralistische Umfeld von Wirtschaft und Gesellschaft zu bewahren, spielt die Suche und strategische Analyse von möglichen Rohmaterialien für die nächste Computergeneration eine entscheidende Rolle.

 

Projektverantwortliche: Dr. David Roth-Isigkeit, Prof. Dr. Ronny Thomale