Intern
    Lehrstuhl für Internationales Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

    Exkursion zum BGH

    Exkursion zum Bundesgerichtshof

    Fälle, die sich kein Professor ausdenken könnte

    Von Wiss. Mitarbeiter GEORGE ANDOOR

    [Erstveröffentlichung in: ALUMNIintern, SoSe 2013, S. 31]

    ___Mit dem Hinweis, dass kein Professor sich diesen Fall hätte ausdenken können, eröffnete der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Armin Nack die erste von zwei mündlichen Verhandlungen vor dem 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 4. Dezember 2012. Und tatsächlich waren die Umstände der Tat mehr als ungewöhnlich. So hatte der Angeklagte das spätere Opfer mit ihrem Lebensgefährten in einem Raum eingeschlossen und ihr für längere Zeit mit vorgehaltener Waffe eindringlich gedroht, sie und anschließend sich umzubringen. Das Opfer jedoch nahm die Drohung zu keinem Zeitpunkt ernst, obwohl die Lage sich zunehmend zuspitzte und die Möglichkeiten, doch zu entkommen, sich stetig verschlechterten. Schließlich erschoss der Angeklagte das Opfer und versuchte auch sich das Leben zu nehmen. Der Senat hatte vorliegend auf die Revision der Nebenklage und der Staatsanwaltschaft hin zu entscheiden, ob bei der Tötung das Mordmerkmal der Heimtücke gegeben war, da das Opfer die Ernsthaftigkeit der Drohung zu keinem Zeitpunkt realisiert hatte und mithin arglos war [Vgl. BGH NStZ 2013, 339 f.]. Rechtlich nicht weniger interessant war auch der Fall, bei dem der Senat – diesmal auf die Revision der Verteidigung hin – zu entscheiden hatte, ob die Ablehnung eines Beweisantrages auf die Vernehmung eines Sachverständigen zur Feststellung der Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin in einem Sexualdelikt durch das Tatgericht rechtsfehlerhaft war.

    ___Etwa 40 Studierende der Rechtswissenschaften aus Würzburg wohnten neben Studierenden der Universität Erlangen den beiden Hauptverhandlungen bei. Die vom Lehrstuhl Prof. Dr. Frank Schuster organisierte Exkursion war vom Würzburger Lehrbeauftragten, Herrn Richter am Bundesgerichtshof Dr. Jürgen-Peter Graf, initiiert worden, welcher in beiden Verfahren als Berichterstatter fungierte. Dieser hatte es auch ermöglicht, dass die für den Sitzungstag anberaumten Fälle bereits im Vorfeld mit den Teilnehmern besprochen werden konnten. Diese hatten zudem die Möglichkeit, Kurzgutachten zu beiden Fällen zu verfassen, welche dem 1. Strafsenat vorab zugeleitet wurden- davon wurde auch rege Gebrauch gemacht. In Karlsruhe angekommen, wurde die Gruppe zunächst von einer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin beim Bundesgerichtshof begrüßt und durch die Räumlichkeiten des Gerichtes geführt.

    ___Der Führung schlossen sich die beiden Hauptverhandlungen an. Nach den Urteilsverkündungen stellte sich der gesamte Senat den Fragen der Studierenden, wobei der Vorsitzende Herr Armin Nack sich für die Gutachten der Würzburger Studenten ausdrücklich bedankte. Der weitere Verlauf des etwa einstündigen Gespräches mit vielen heiteren Momenten befasste sich nicht mehr ausschließlich mit den verhandelten Fällen. So berichteten die Richter auf die Nachfragen der Studierenden hin u.a. über die Karrierewege der Bundesrichter oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Justiz. Prof. Dr. Henning Radtke, seit Oktober 2012 als Richter am Bundesgerichtshof tätig, wies zudem darauf hin, wie wichtig die akademische Ausbildung für die Praxis ist. Damit widersprach er dem gelegentlichen Vorurteil, dass das universitäre Rechtsstudium nicht den Bedürfnissen der Praxis gerecht werde. Eine Aussage, der sich die übrigen Senatsmitglieder anschlossen und deren Gehalt vielleicht auch nirgendwo deutlicher wurde als am Bundesgerichtshof selbst. Denn anders als in manchen tatgerichtlichen Verhandlungen standen hier die Rechtsfragen eindeutig im Vordergrund. So glichen die Vorträge einzelner Revisionsführer eher einem Rechtsreferat hoher Güte und die Sitzung des Hohen Senates selbst eher einem Rechtskolloquium als einer rein nach pragmatischen Gesichtspunkten geführten Gerichtsverhandlung.