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Prof. Dr. Florian Bien

Erschienen: Bien, La Zweckstörung – un cas de figure de l'imprevision ?

23.01.2019

Beitrag zu den Mélanges en l'honneur du Professeur Claude Witz, 2018

Sowohl der deutsche als auch der französische Gesetzgeber haben im Rahmen der großen Schuldrechtsreformen der Jahre 2002 und 2016/2018 das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage bzw. der imprévision in das BGB bzw. den Code civil aufgenommen. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Störung der Geschäftsgrundlage und der imprévision sind in § 313 BGB bzw. Art. 1195 nouv. Code civil geregelt. Im Ausgangspunkt ähnlich ist die zentrale Tatbestandsvoraussetzung der beiden Normen, die nachträgliche und schwerwiegende „Veränderung von Umständen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind“ (§ 313 Abs. 1 BGB) bzw. der „changement de circonstances imprévisible lors de la conclusion du contrat » (Art. 1195 nouv. Code civil). Anders als die parallele deutsche Vorschrift schränkt die französische Bestimmung den Anwendungsbereich der imprévision allerdings ein, indem zusätzlich verlangt wird, dass der „changement de circonstances“ eine erhebliche Leistungserschwerung für den Schuldner zur Folge hat („rend l'exécution excessivement onéreuse pour une partie »).Damit erscheint der Anwendungsbereich der deutschen Vorschrift § 313 BGB mindestens auf den ersten Blick deutlich weiter gefasst als derjenige von Art. 1195 nouv. Code civil.

Der vorliegende, dem großen deutsch-französischen Brückenbauer Claude Witz gewidmete Beitrag, wirft die Frage nach der Behandlung der Fallgruppe der Zweckstörung à la Krönungszug (Krell v. Henri) durch das reformierte französische Vertragsrecht auf. In Betracht kommen der Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft der Sache (Art. 1110 nouv. Code civil), die analoge Anwendung von Art. 1722 Code civil über die Störung des Verwendungszwecks der Mietsache, die "caducité" (Art. 1186 Code civil) und die - vorzugswürdige - Einordnung als Fallgruppe der imprévision gemäß Art. 1195 nouv. Code civil. Die neue Bestimmung könnte in Übereinstimmung mit Art. 6.2.2 der Unidroit-Prinzipien so interpretiert werden, dass sie nicht nur den Fall eines starken Anstiegs der Kosten der Leistungserbringung, sondern auch die umgekehrte Konstellation eines starken Verfalls der Wertes der Gegenleistung erfasst. Eine Variante dieser Konstellation bilden die Fälle der Zweckstörung.

Der französischsprachige Beitrag "La Zweckstörung - un cas de figure de l'imprévision ?" ist erschienen in: Mélanges en l'honneur du Professeur Claude Witz, 2018, S. 83 - 100.

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