Intern
Prof. Dr. Florian Bien

20. Nürnberger Vergaberechtstag

16.01.2023

Vortrag von Dr. Björn C. Becker über das "Instrument für das internationale Beschaffungswesen (Verordnung (EU) 2022/1031 - "IPI"

https://www.roedl.de/themen/oeffentlicher-sektor/nuernberger-vergaberechtstag

Seit 20 Jahren lädt die Kanzlei Rödl & Partner zum jährlich stattfindenden "Nürnberger Vergaberechtstag". Hier diskutieren Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung sowie Experten aus Wissenschaft und Praxis aktuelle Themen rund um das Vergaberecht.

Dr. Björn Christian Becker sprach auf dem 20. Nürnberger Vergaberechtstag über das "Instrument für das internationale Beschaffungswesen (Verordnung (EU) 2022/1031 - "IPI", in Kraft seit 29.8.2022)". Es richtet sich gegen protektionistische Maßnahmen und Regelungen von Drittländern betreffend ihren nationalen Beschaffungsmarkt. Die Beschaffungsmärkte der EU-Mitgliedstaaten stehen grundsätzlich auch Unternehmen aus solchen Drittstaaten offen, die kein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet haben (siehe in Deutschland etwa das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß § 97 Abs. 2 GWB). Demgegenüber besteht für EU-Unternehmen zu etwa der Hälfte des globalen Beschaffungsmarktes kein oder ein nur stark eingeschränkter Zugang (siehe z.B. den US-amerikanischen "Buy American Act", den "Buy America Act" oder Art. 10 ff. Government Procurement Law of the People's Republic of China"). Über das IPI kann die Europäische Kommission beschränkende Maßnahmen für Unternehmen beschließen, soweit deren Herkunftsstaat nicht in einem Freihandelsabkommen mit der EU gebunden ist. Die Maßnahme kann auf bestimmte Sektoren oder Kategorien von Waren, Dienstleistungen und Konzessionen sowie auf Kategorien von öffentlichen und sonstigen Auftraggebern beschränkt werden. Außerdem greift eine IPI-Maßnahme erst ab bestimmten, in der VO im Einzelnen geregelten Schwellenwerten. Inhaltlich kann die Kommission einerseits öffentlichen Auftraggebern vorschreiben, eine "Bewertungsanpassung" vorzunehmen, d. h. das Gebot des betroffenen Unternehmens mit einem fiktiven Aufschlag zu versehen, der sich nachteilig auf die Bewertung und Reihung des entsprechenden Gebots im Vergabeverfahren auswirkt. Andererseits, als ultima ratio, kann die Kommission öffentliche Auftraggeber darüber hinaus dazu verpflichten, Unternehmen aus den betroffenen Staaten gänzlich von Vergabeverfahren im Anwendungsbereich der IPI-Maßnahme auszuschließen. In der Praxis haben öffentliche Auftraggeber künftig damit u. a.  im Vorfeld von Ausschreibungen zu überprüfen, ob die Kommission im betroffenen Sektor eine IPI-Maßnahme erlassen hat. Auch ist die Herkunft der Bieter sorgfältig zu ermitteln, um einen Verstoß, insbesondere die Umgehung einer IPI-Maßnahme auszuschließen. Eine IPI-Maßnahme kann letztlich dazu führen, dass öffentliche Auftraggeber besonders günstige Angebote ausschlagen müssen.

Es ist allerdings zu erwarten, dass die Kommission IPI-Maßnahmen nur in beschränkten, eng abgegrenzten Sektoren anwendet. Beim IPI handelt es sich in erster Linie um ein politisches Instrument, das Druck auf Drittstaaten ausüben soll, ihre Beschaffungsunternehmen für EU-Unternehmen zu öffnen. So sieht das IPI vor, dass die Kommission vor Erlass einer IPI-Maßnahme zunächst in Konsultationen mit den betroffenen Drittstaaten tritt. Kann eine Einigung erzielt werden, die zur Öffnung des jeweiligen Beschaffungsmarkt führt, erübrigt sich eine IPI-Maßnahme.

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